Wasser,  Wissen

Der Schatz im Untergrund

Wenn du an einen Schatz im Untergrund denkst, was siehst du dann? Gold, Silber und Edelsteine? Gesteine wie Marmor? Oder wertvolle Rohstoffe wie das Salz, das in vergangenen Zeiten eine so viel höhere Bedeutung hatte? Das alles sind Schätze, aber der bedeutendste Schatz wird oft vergessen: Das Grundwasser.

Grundwasser ist vieles: Trinkwasserspender, Lebensraum und eine industrielle Ressource, wichtig für die Nahrungsmittelproduktion, die Bewässerung und als Prozesswasser. Der größte Grundwasserspeicher Europas ist der Oberrhein-Aquifer. Er erstreckt sich von Basel im Süden über Freiburg bis nach Karlsruhe und danach weiter bis ins Rhein-Main-Gebiet im Norden. Dabei erreicht er eine Länge von rund 300 Kilometern. Der Aquifer kann deutlich mehr Wasser aufnehmen, als im gesamten Bodensee Platz findet. Insgesamt werden zwischen Basel und Karlsruhe 65 bis 80 Milliarden Kubikmeter Wasser gespeichert.

Im ersten Moment könnte man denken, dass diese riesige Menge an Wasser für immer ausreicht. Aber es wird auch von vielen benötigt. Das Gebiet des Oberrheingrabens ist dicht besiedelt und das Land wird vielfältig genutzt. Von klassischen Siedlungsflächen, über Landwirtschaft und große Industriestandorte ist alles vertreten. Da die Bodenüberdeckung im Oberrheingraben teilweise nur sehr gering ist, werden Verschmutzungen nicht so gut zurückgehalten. Probleme mit der Wasserqualität sind damit vorprogrammiert. Viele Stoffe, die im menschlichen Handeln ihren Ursprung haben, sind im Grundwasser zu finden.

Einer dieser Stoffe ist Nitrat. In Deutschland gibt es viel zu viele Überschreitungen dieses Stoffes, dessen Hauptquelle die Landwirtschaft ist. Es wird ungemütlich, wenn Konzentrationen von mehr als 50 Milligramm pro Liter im Trinkwasser bestimmt werden. Zuerst für Wasserversorger, weil dann der Grenzwert für Nitrat überschritten wird und nach Möglichkeiten gesucht werden muss, um die Nitratkonzentrationen zu senken. Eine Möglichkeit ist die Verdünnung des belasteten Wassers mit einem Wasser, das weniger Nitrat enthält. Keine elegante Lösung, aber wirkungsvoll. Die Aufnahme von Nitrat in hohen Konzentrationen wird mit negativen gesundheitlichen Effekten, beispielsweise einer höheren Wahrscheinlichkeit für Krebserkrankungen, in Verbindung gebracht. Also ist es eine sinnvolle Sache, wenn das Nitrat im Trinkwasser niedrig gehalten wird. Aber auch für die Natur sind zu hohe Nitratwerte – sagen wir mal – ungünstig. Dort wirkt Nitrat als Nährstoff. Eigentlich müsste das doch eine gute Sache sein, weil Nährstoffe das Pflanzenwachstum fördern. Aber das gilt nur im ersten Moment. Danach übernehmen auf dem Land einige wenige Arten die Überhand und die weniger für Nitrat toleranten Arten verschwinden auf Nimmerwiedersehen. Tschüss Artenvielfalt. Im Grundwasser ist es ähnlich. Natürlicherweise ist Grundwasser ein nährstoffarmer Lebensraum. Die Lebewesen darin sind nicht auf die hohen, anthropogen verursachten Nitratkonzentrationen angepasst. Im Grundwasser des Oberrheingrabens gehen die meisten Grenzwertüberschreitungen auf das Konto von Nitrat.

Die nächste Stoffgruppe sind Pflanzenschutzmittel und deren Abbauprodukte, Metabolite genannt. Damit lassen sich unerwünschte Organismen wie Unkräuter, Pilze, Insekten und Nagetiere bekämpfen. Das gesamte Grundwasser des Oberrheingrabens ist flächendeckend mit Pflanzenschutzmitteln belastet. Am häufigsten wurden Herbizide, die gegen Unkräuter eingesetzt werden, gefunden. Auch ein Stoff, der schon seit Jahrzehnten in Deutschland verboten ist, kann noch in Spuren nachgewiesen werden. Allerdings mit abnehmender Tendenz. Somit wirken die Verbote. Leider benötigen Maßnahmen zum Grundwasserschutz oft lange bevor ihre positiven Auswirkungen sichtbar werden.

Eine weitere bunte Gruppe von Chemikalien sind die Per- und Polyfluorierten Chemikalien (PFC), auch PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) genannt. Vertreter dieser Gruppe haben eine wasser- und schmutzabweisende Funktion. Man findet sie als Beschichtung auf Outdoor-Kleidung, in Kochgeschirr, in Essensverpackungen und manche werden als Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Daneben gibt es viele andere Einsatzbereiche. Viele Millionen Chemikalien erfüllen die Definition für PFAS, aber nur einige tausend davon werden in größeren Mengen hergestellt. Diese Stoffe haben bedenkliche Eigenschaften. Viele von ihnen lassen sich kaum in der Umwelt abbauen und sind toxisch. Im Englischen werden sie manchmal als „forever chemicals“ bezeichnet: die „ewigen Chemikalien“. Sie sind aktuell ein Thema, weil verschiedene Behörden, darunter das Umweltbundesamt versuchen, diese Stoffgruppe europaweit zu verbieten. Im Spurenbereich wurde mindestens eine oder mehrere PFAS im Grundwasser des Oberrheingrabens nachgewiesen. Bei Rastatt in Baden-Württemberg werden besonders hohe PFAS-Konzentrationen gemessen. Vermutlich wurden die PFAS über kontaminierten Kompost auf die landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht, ohne zu wissen, was darin enthalten war. In dieser Gegend können manche Gärtner ihre Pflanzen nicht mehr mit Brunnenwasser gießen, weil dieses zu belastet ist. In manchen Bereichen kann nur ohne Keller gebaut werden, weil die Entsorgung der kontaminierten Böden zu teuer ist. Auch die Trinkwasserversorgung bekommt Probleme, weil teuere Brunnen gebohrt werden müssen, um unbelastetes Trinkwasser gewinnen zu können. Zusätzlich muss in teure Aufbereitungsverfahren investiert werden, um vorhandene PFAS zu entfernen. Eine ganze Gegend lebt hier mit den Lasten der Vergangenheit.

Weiter geht es mit pharmazeutischen Substanzen. Diese werden überwiegend über Abwässer zu den Kläranlagen transportiert. Bisher können nicht alle Kläranlagen diese Spurenstoffe entfernen und wenn dann oft nicht vollständig. Damit gelangen die pharmazeutischen Substanzen in die Fließgewässer und später auch ins Grundwasser. Die Belastungen sind vor allem auf Höhe von Siedlungsgebieten nachweisbar. Eine bunte Bandbreite kann – allerdings eher lokal begrenzt – auch im Grundwasser des Oberrheingrabens nachgewiesen werden.

Der Fall des Oberrhein-Aquifers zeigt, dass Umweltprobleme oft nicht an politische Grenzen gebunden sind. Nur durch länderübergreifende Maßnahmen kann ihnen begegnet werden. Durch eine wirkungsvolle Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Frankreich und der Schweiz wird sich das Grundwasser des Oberrhein-Aquifers auch in Zukunft nachhaltig nutzen lassen. Das Grundwasser ist nicht endlich wie andere Bodenschätze. Das Grundwasser erneuert sich selbst – vorausgesetzt wir gehen sorgsam und intelligent damit um. Die Menge ist vorhanden. Wenn auf zwei Prinzipien geachtet wird – keine übermäßige Entnahme und Verringerung der Schadstoffe – ist der Oberrhein-Aquifer auch in Zukunft ein verlässlicher Speicher für das Trinkwasser.

Wenn du jetzt an einen Schatz im Untergrund denkst, siehst du dann vielleicht das Grundwasser? Einen schützenswerten Schatz, der sich bei sorgsamem Umgang selbst erneuert und damit unendlich wird.